Was wird sein?
Oder: Der scheinbar sinnlose Kampf gegen bestehende Verhältnisse
Visionäre hat es zu allen Zeiten gegeben. Propheten waren
eine spezielle Erscheinung in der jüdischen Tradition. Es waren Menschen,
welchen die Gabe nachgesagt wurde, sie haben Kontakt zu einer Höheren Macht,
bei welcher die Zukunft schon sichtbar sei und das, was sein wird, könne nur
dann sich anders gestalten, wenn die herrschende Macht auf Erden sich besinne
und eine andere Richtung einschlage.
Eine solche Geschichte ist im Buch Jona im Alten Testament
aufgeschrieben. Der Prophet selbst scheut vor dem Auftrag zurück, der Stadt
Ninive und ihrem Herrscher entgegen zu treten und die Nachricht, welche Gott
für sie hat, zu überbringen.
Aber die Flucht vor dem Auftrag misslingt. Das Schiff, auf
welchem Jona vor Gott fliehen möchte, gerät in einen Sturm, der sich erst
wieder legt, als Jona über Bord geworfen wird.
Jona wird von einem Wal geschluckt und nach drei Tagen wieder an Land ausgespuckt.
Nun, dieser Prophet hatte großes Glück: Er fand eine
gottesfürchtige Stadt und einen gottesfürchtigen König vor. Als er in Ninive
ankam und dort rief: „Noch vierzig Tage, und Ninive wird untergehen!“, da wurde
ein großes Fasten ausgerufen und der König selbst hüllte sich in Bußgewänder
und alle riefen den Herrn an – mit Ausdauer, wie es in der Schrift heißt.
Tun wir so etwas heute noch? Wie ist das heute? Wie kann
heute noch jemand behaupten, die Zukunft zu kennen? Und wenn: Würde es
irgendjemand zur Umkehr, weg von seinem Treiben, bewegen, wenn da jemand den
Untergang prophezeite?
Wir alle wissen, welch große Schäden unser Handeln an der Welt
verursacht hat. Klimawandel, vermehrtes Artensterben, Luftverschmutzung,
Hitze-und Kältewellen und Überschwemmungen, um nur einige der Faktoren zu nennen, die das Leben auf
dieser Erde bereits schon spürbar verändert haben und bedrohen.
Und andere Tatsachen, die zeigen, dass der Mensch mit
Seinesgleichen immer noch nicht so umgehen kann, dass vermeidbares Leid
verhindert werden könnte, welches durch Krieg und Hunger in der Welt ist.
Da braucht es eigentlich keinen Propheten mehr, wie damals
zu Jona`s Zeiten, der sagen könnte: Noch vierzig Tage ... . Ich vermute, es
bräuchte Tausende von Jonas Art, welche all die Städte besuchen müssten, um die
Nachricht deren Untergangs zu verkünden. Und es gibt auf der anderen Seite auch
nicht mehr die Gottesfurcht, welche Ninive dazu bewegte, das schädliche Treiben
zu beenden. Ist das tatsächlich so? Gibt es keinen Glauben mehr in der Welt?
Woran glauben die Menschen heute?
In einer Rede eines Indianers zur Zeit der Gründerjahre
Amerikas hören wir: „Wovon träumt der weiße Mann?“ Schon dort wird ein mit der Natur nicht verträgliches Vorgehen angesprochen, welches sich auf diesem
Kontinent breit machte und sich seitdem auch nicht geändert hat.
Ich will jetzt aber nicht speziell Amerika als Umweltsünder
Nummer eins anprangern, sondern bleibe in meinem Land und vor meiner Haustüre
und frage: Was wird sein?
Haben all die positiven Ansätze von Umweltschutz und Nachhaltigkeit eine
Chance, die Katastrophe aufzuhalten, welche durch unser Konsumverhalten
eingerührt worden ist? Oder sind das
alles nur Halbherzigkeiten von welchen wenig Rettung zu erwarten ist?
In der Bibel ist die Rede von einem Fasten, das ausgerufen
und offenbar auch eingehalten wurde; sonst wäre diese Geschichte nicht aufgeschrieben worden: Ninive überlebte nur, weil Jona zu ihnen ging und weil sie sich nach
dieser Prophezeiung besannen und fasteten!
Bisher ist die Katastrophe in unserer heutigen Zeit
ausgeblieben. Ist sie das wirklich? Von immer stärkeren Tornados und Hurrikans
höre ich. Und die Zahl der Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen pro
Jahr steigt. Die Natur holt sich erbarmungslos zurück, was wir ihr abgetrutzt
haben.
Noch können wir keinen wirklich bevorstehenden Weltuntergang wahrnehmen. Ich frage
mich jedoch: Was braucht der Mensch noch an Warnungen, um endlich zu deutlich
stärkeren Maßnahmen, wie zum Beispiel dem Fasten, zu kommen und dieser sichtbar
und spürbaren Entwicklung entgegen zu wirken?
Wir vertrauen heute einem Fach, das wir Wissenschaft nennen.
Also nicht mehr der Kontakt zur Höheren Macht ist heute vorrangig, sondern das
eigene Wissen, die Beobachtung und Erkenntnis von Naturgesetzen ist es, welche
unser Verhalten weitestgehend formt und beeinflusst.
Doch frage ich mich: Ist diese Wissenschaft in der Lage, Entwicklungen,
welche zur Katastrophe führen können, aufzuhalten? Wie weit ist dieser „neue
Glaube“ in der Lage, die an ihn Glaubenden so zu steuern, dass sie vor
Katastrophen bewahrt bleiben?
Hat uns diese Wissenschaft blind oder größenwahnsinnig gemacht? Mit der
Einstellung, alles zu wissen, alles „im Griff“ zu haben, ja praktisch Herr über
Leben oder Tod zu sein, können einem, so sage ich mal, durchaus Fehler passieren!
Die kleine Geschichte vom Bauern, der eine Zeit lang so sein
durfte wie Gott und das Wetter bestimmen durfte, dabei aber den Wind als Kraft
zur Bestäubung des Weizens vergaß, zeigt eindringlich, wie schnell die Grenzen
des eigenen Horizonts erreicht sind und notwendige Dinge und Zusammenhänge
übersehen werden können.
Ich glaube immer noch, dass uns die Geschichte von Jona und
der Stadt Ninive durchaus heute noch etwas zu sagen hat. Es gibt keinen Jona
mehr – es gibt auch keinen gottesfürchtigen König und kein gottesfürchtiges
Volk mehr. Aber: Wie die Geschichte in der Bibel zeigt, hat nur eines vor der
Katastrophe bewahrt – und das war ein konsequenter Verzicht auf das
„Immer-mehr-desselben“, das Fasten. Nur die Umkehr vom schädlichen Tun hat
letztlich aus der Katastrophe geführt.
Und das, liebe Mitmenschen, ist es, was ich hier und heute noch einmal öffentlich machen und daran erinnern möchte.
Michael Lamprecht, Berlin, 31.01.2013